Westliche Schriftzeichen werden im Osten genauso oft als inhaltlich unsinniges Ornament benutzt wie chinesische im Westen. Und manchmal geht es eben schief.
Ganze Internetpräsenzen sind dem Vorführen von alphabetisch notierten und zumeist englischsprachigen Nonsens-Aufschriften in asiatischen Ländern gewidmet — ungeachtet der Tatsache, daß sich gerade bei den aufsehenerregendsten Beispielen öfter als nicht herausstellt, daß dem Witz in Photoshop dezent ein wenig nachgeholfen wurde. Und ungeachtet der Tatsache, daß in neun von zehn Fällen weder ein Mißverständnis noch Ignoranz oder gar Dummheit die Ursache markiert, sondern der ganz bewußte Einsatz westlich-alphabetischer Schriftschnipsel als Ornament.
Und das sollte uns bekannt vorkommen. Kanji und Hanzi, d. h. Schriftzeichen japanischer und/oder chinesischer Provenienz, finden sich hierzulande als ornamentale Elemente auf jedem erdenklichen Gegenstand und in der Werbung — oft, wie sollte es auch anders sein, als zwerchfellerschütternder Unsinn. Aber um Sinn »geht es ja dabei nicht« — ach so, ganz plötzlich, wie denn jetzt. Manchmal aber soll es ja doch einen Sinn ergeben (sozusagen das zehnte Mal von zehn), und gerade dann läßt sich oft Unglaubliches erleben. Eine Frage wie die, ob es besser ist, jemanden darauf aufmerksam zu machen, daß sein Kanji (für Leben, Kraft, Energie, ich erinnere mich nicht mehr genau) prominent spiegelverkehrt auftätowiert wurde oder nicht, stellt sich nicht alle Tage.
Aber auch als Ornament ist es manchmal angeraten, die Gelben Seiten zu konsultieren — eine Erfahrung, die kürzlich die Max-Planck-Gesellschaft machen durfte. Wie Victor Mair auf in seinem Beitrag Burlesque Matinée at the Max Planck Gesellschaft auf Language Log berichtet, hatte die Institutszeitschrift MaxPlanckForschung in ihrer jüngsten, China-fokussierten Ausgabe anzügliche Knittelverse auf der Titelseite (Mairs Übersetzung, ergänzt mit einer wörtlicheren Formulierung, die er in seinem Eintrag erwähnt):
With high salaries, we have cordially invited for an extended series of matinées
KK and Jiamei as directors, who will personally lead jade-like girls in the spring of youth,
Beauties from the north who have a distinguished air of elegance and allure,
Young housewives having figures that will turn you on [stir up your (sexual) heat];
Their enchanting and coquettish performance will begin within the next few days.
Laut Max-Planck-Institut war ein “German sinologist” konsultiert worden, nach dessen Einschätzung “the text in question” klassische chinesische Schriftzeichen “in a non-controversial context” darstelle, der Text aber “deeper levels of meaning” habe, die nur einem nativen Sprecher auffallen würden. Sicher — genau wie die tieferen Bedeutungsschichten von Wirtinnenversen, die einer chinesischen Germanist/in klar entgehen würden.
Aber ich wundere mich nicht wirklich. Was ich oft genug als Arbeiten einer »erfahrenen Übersetzungskraft« an Englischähnlich auf den Tisch bekomme, hat mich schon jetzt versorgt mit genügend »Partyzetteln« bis ins 23. Jahrhundert — Zettel, die zum Einsatz kommen, wenn eine Party auf dem toten Punkt anlangt, und von denen sich dann vorlesen läßt, bis alle Gäste sich vor Lachen auf die Schenkel schlagen.
Und hinzufügen würde ich noch, ganz allgemein, daß etwa 90 % der sogenannten “Copy” von Printanzeigen in Magazinen ebenfalls von rein ornamentalem Nutzen sind.
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