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Wissenschaft: Revolutions

brave new texts

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Immer wieder gut zu wissen, daß ich nicht der einzige Befürworter bin von radikalen “No Quarter Given”-Veränderungen in unserem aktuellen Lehr-, Wissens- und Wissenschaftssystem.

Radikal in dem Sinne, daß alles, was nicht radikal gedacht ist, im Kontext der Digitalisierung der Welt auch nicht weit genug gedacht ist.

Must-read:
Institutionalisierte Wissenschaft Reloaded von Anatol Stefanowitsch auf Heise Online.

Kostprobe:

Open Access: Es wird teilweise Energie darauf verwendet, Verlage von der Notwendigkeit und positiven Wirkung dieser Entwicklung zu überzeugen; dabei ist ihre Monopolstellung bei der Verteilung von Informationen, die der einzige Grund war, sie überhaupt je an dieser Verteilung zu beteiligen, weggefallen.

Hervorheben in dem Artikel möchte ich auch den Entwurf eines “Open Peer Review”-Systems, in dem a) veröffentlichte Forschungsergebnisse keine »endgültige Version« mehr haben und b) die Gutachten den gleichen Status haben wie alle anderen Publikationen, die sich kritisch mit den veröffentlichten Ergebnissen befassen. Dies scheint mir eine hervorragende Lösung zu sein, denn das klassische Peer Review-System ist, gemessen an den aktuellen und zukünftigen Bedürfnissen unserer Gesellschaft, nicht nur vollständig »zerbrochen« auf dem Hintergrund eines vollständig bizarren Publikationssystems; wie Lee Smolin es in The Trouble with Physics nahelegt, hat es sich in seiner traditionellen Form mittlerweile auch selbst als hemmend erwiesen für den wissenschaftlichen Fortschritt.

Einen marginalen Einwand hätte ich bezüglich der Formulierung in den einleitenden Absätzen des Artikels über die Verpflichtung zur »Suche nach der Wahrheit« als einziger und zentraler Wert des wissenschaftlichen Prozesses. Ich sehe Wissenschaft prosaischer als einen Prozeß, Modelle zu entwerfen und sie beständig an der Realität zu testen und den Testergebnissen entsprechend zu verfeinern. (Und durch frische Modelle zu ersetzen, wenn sich entlang neuer Tests oder Testmethoden herausstellt, daß die alten Modelle die Realität nicht oder nicht mehr zufriedenstellend beschreiben, erklären oder vorhersagen.) Dies kann, über die Natur- und Sozialwissenschaften hinaus, auch sinnvoll als Arbeitsdefinition in den Geistes- und speziell den Literaturwissenschaften genutzt werden, z. B. bei der Literaturforschung und der Entwicklung und Verfeinerung von Literaturtheorien im Sinne dieses Prozesses. Und auch Literatur selbst läßt sich im übertragenen Sinne als das »Bauen von Modellen« verstehen, wie ich es vor ein paar Wochen in meinem Vortrag im Rahmen der Kleist-Tage beschrieb.

Wissenschaft als die Suche nach der »Wahrheit« — im Gegensatz zu der Suche nach immer präziseren Beschreibungen der Realität — ist in allen Disziplinen ein definitorisches Haifischbecken und gleichzeitig ein gesellschaftliches Freibad, in dem alle möglichen dubiosen Figuren herumschwimmen, die sich zum Teil seit zweitausend Jahren nicht mehr gewaschen haben.

Was natürlich greift, ist die Verpflichtung zur Wahrheit im Sinne von Aufrichtigkeit — und genau das ist es, was der wissenschaftliche Prozeß auf einzigartige Weise unterstützt. Aber die aktuellen Rahmenbedingungen für diesen Prozeß stammen in der Tat, wie Anatol Stefanowitsch darlegt, ganz praktisch und nicht bloß metaphorisch aus dem Mittelalter.

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