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Gastbeitrag: Ist die Balance Scorecard ein geeignetes Management Instrument für KMUs des Verlagswesens im Bezug auf den strategischen Einkauf von Kundendaten?

Balanced Scorecard

Die Balance Scorecard (BSC) ist bekannt als ein effektives Managementinstrument im Bereich des Controllings von Großunternehmen. Die vier Perspektiven der BSC, gegliedert in die Finanz-, Interne Geschäftsprozesse-, Lern- und Entwicklungs- und Kundenperspektive, können sowohl in Großunternehmen als auch in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) als ideales Visualisierungs- und Kommunikationsinstrument der partizipativen Steuerung strategischer Projekte angesehen werden.

Cristina D.

Ist die Balance Scorecard ein geeignetes Management Instrument für KMUs des Verlagswesens im Bezug auf den strategischen Einkauf von Kundendaten?

Ein Gastbeitrag von Cristina D.

Warum sollte ein KMU den Gewinn langfristig durch eine eindimensionale Sicht, gerichtet auf finanzielle Kennziffern, maximieren, wenn der Wettbewerb durch die geeignete Verteilung und Evaluationen strategischer Projekte auf allen Ebenen der BSC zukunftsorientiert agiert? Nach Expertenschätzungen sind es nur 16% der KMU (weniger als 500 Mitarbeiter), die sich mit der Thematik einer BSC befassen. Inwiefern die automatische Fokussierung auf wichtige Wertetreiber für KMU relevant ist, möchte ich hier diskutieren.

Kurzfristige Erfolgsziele werden durch die Finanzperspektive abgedeckt. Dies geschieht bei KMUs meist durch eine Buchhaltungsabteilung. Diese prüft in der Regel nur vergangenheitsorientierte Zahlen und stellt selten Prognosen zu zukünftigen Trends im Einkaufs- oder Absatzmarkt. Eine Balance zwischen kurzfristigen Erfolgszielen und langfristigen Erfolgspotentialen sollte hergestellt werden. Zwei Drittel der KMUs, die sich mit der Einführung einer BSC beschäftigen, scheitern laut einer Studie von Wieselhuber & Partner daran, dass eine eindeutige Formulierung strategischer Ziele fehlt. Ursache dafür ist, dass 95 % der KMUs von Familienhand geführt werden und nicht bereit sind, sich strategisch optimal zu orientieren.

Dabei haben KMUs gegenüber Großunternehmen einen eindeutigen Vorteil: Die Innovation von hochspezialisierten Produkten oder Dienstleistungen kann auf Grund der Unternehmensgröße durch einen besonders intensiven Kontakt zu allen Stakeholder-Gruppen stetig optimiert werden. Der Nachteil liegt in den hinzukommenden Kosten und Zeitaufwendungen, die für eine Implementierung der BSC nötig sind. Dies wäre allerdings nur eine kurzfristige Betrachtung der Implementierung. Strategisch gesehen kann die BSC den gesamten Workflow segmentiert optimieren.

Ein Beispiel der BSC im strategischen Einkauf von KMUs des Verlagswesens soll diese Hypothese stützen. Fokussiert betrachtet wird Einkauf von Kundendaten. Es zeigt sich, dass es kostengünstiger ist, von großen Unternehmen oder Agenturen Kunden- bzw. Kontaktlisten einzukaufen, als diese durch eigene Marketingaktionen oder Promotion am POS zu generieren. Im Bereich der Kundenakquise ist es rechtlich untersagt, eine sogenannte Kaltakquise zu betreiben, das heißt, Telefonwerbung ohne Zustimmung des Kunden durchzuführen. Kauft man allerdings bestehende Kundenlisten ein, so befindet man sich rechtlich in einer Grauzone. Diese Kunden haben irgendwann und irgendwo einmal ihre Kontaktdaten angegeben mit der Zustimmung, für gewerbliche Zwecke kontaktiert werden zu dürfen. Besonders im Bereich des telefonischen Abonnementverkaufs durch externe Agenturen kann ich aus eigener Erfahrung behaupten, dass der Einkauf von Kundendaten, meistens aus dem Bereich der Telekommunikationsbranche, die Regel ist.

Somit stellt sich die Frage: Kollidiert die Lieferantenperspektive mit einer anderen Perspektive der BSC? Die Finanzperspektive und die des internen Prozesses werden optimiert angepasst. Die Perspektive der Innovation und der Kundenbindung hingegen wird exorbitant vernachlässigt. Diese beiden Perspektiven könnten durch geeignete Marketingmaßnahmen, z. B. durch Gewinnspiele oder Promotion am POS, berücksichtigt werden. Auf Grund der Finanzperspektive muss anhand einer Amortisationsrechnung bzw. einer Nutzwertanalyse abgewogen werden, welche Perspektiven primär in die Unternehmensvision eingebunden werden. Auf Grund von finanziellen Kennziffern entscheiden sich die KMU Verlage häufig für den Einkauf von Fremdkundendaten. Externe Agenturen wie z. B. Call Center versuchen dementsprechend, diese Kunden zu akquirieren und möglichst lange an den jeweiligen Verlag zu binden. Der Einkauf dieser Daten, wie bereits erwähnt, erfolgt häufig durch Unternehmen, die keinerlei Bezug zum Verlagswesen vorweisen. Ich spreche hier von der Deutschen Post, der Bertelsmann AG oder einigen Telekommunikationsanbietern. Auf Grund dieses Kundendaten-Austauschs würden es neu zu akquirierende Kunden als Vertrauensbruch empfinden, wenn sie wüssten, dass ihre persönlichen Daten zu Höchstpreisen an diverse Unternehmen verkauft werden.

Es muss kontrapunktiert werden, inwiefern dieses offene Marktgeheimnis des Einkaufs von bis zu 50 % der Kundendaten im Verlagswesen (Quelle/Verlag möchte nicht genannt werden) in der strategischen Unternehmensführung von KMU Verlagen Bestand hat und ob dieser eventuell durch die BSC optimiert werden könnte oder mit anderen Perspektiven kollidiert.

Ich persönlich bin der Meinung, dass es langfristig gesehen optimaler wäre, die potentiellen und bestehenden Kunden persönlich in eine eigene BSC aufzunehmen, die Kundenbindung zu fokussieren und diese in eine BSC zu implementieren. Durch die Formulierung exakt dieser Vision können Erfolgspotentiale zukunftsorientiert generiert werden. Durch ein geeignetes Controlling wird der Kundenlebenszyklus konstant begleitet, und die bekannten vier Perspektiven der BSC werden ergänzt durch die fünfte Perspektive, die Lieferantenperspektive. Allerdings ist es zweifelhaft, ob die Lieferung von Kundendaten als Potential im Einkauf gesehen werden darf. Die Beschaffung von Informationen durch geeignete Redakteure könnte dem Verlag strategisch eine höhere publizistische Qualität, ein besseres Images und eine personalisierte Kundenbindung generieren. Kontrolliert wird diese Unternehmensvision durch einer angepassten Balance Scorecard.

Bildnachweis:
BSC Ursprung nach Kaplan und Norton.

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3 Responses

  1. Jo, gut erkannt. Ganzheitlich gedacht wird deutlich, daß »billiger« tatsächlich teurer ist. Mehrwert läßt sich schwerlich allein aus der Finanzperspektive generieren — schon gar nicht, seit das Geschäftsmodell durch den digitalen Wandel ins Wanken geraten ist.

    Noch wäre Zeit: Die Einbußen haben bislang »lediglich« dazu geführt, daß Gewinne in der Verlagsbranche auf ein allgemeineres Marktniveau gesunken sind. Aber wenn Verlage nicht, bevor die Gewinne noch weiter sinken, investieren mit Hinblick auf einen solchen Mehrwert, welcher wiederum über eine wohlgeformte Scorecard herausgearbeitet werden kann, ist der Zug irgendwann endgültig abgefahren.

  2. »Mit Millionen von Gutscheinen, die Bertelsmann an deutschen und österreichischen Schulen verteilt, geht der Medienkonzern gezielt auf Adressenjagd von Minderjährigen — und läuft Sturm gegen die geplante Datenschutzverordnung in Brüssel.«

    Kein KMU, aber KKK (kraß, krasser, am krassesten): LobbyPlag: Die Datenfänger von Gütersloh

  3. Ich bin auch der Meinung, dass durch Anwendung einer BSC vieles in einem Unternehmen optimiert werden könnte. Doch betrachtet man die BSC zum ersten Mal, wirkt sie wahrscheinlich für die meisten Unternehmen zu Aufwendig. Ein weiterer Punkt, weshalb sich viele Unternehmen gegen die Anwendung einer BSC entscheiden, ist wohl die fehlende Formulierung strategischer Ziele. Somit ist ein zusätzlicher Mehraufwand nötig, um die BSC überhaupt anwenden zu können. Dass eine solche Formulieren generell unabdingbar sein sollte steht hier außer Frage. Bleibt abzuwarten inwieweit unternehmen zukünftig bereit sind einen solchen Mehraufwand zur Otimierung verschiedener Geschäftsbereiche aufzuwenden.