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ScienceBlogs: Diskussionsüberblick und Gedanken zur Bezahlung wissenschaftlicher Blogbeiträge

brave new texts

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Überall gibt’s Menschen, die (fast) umsonst arbeiten für das, was sie für wichtig halten.

Ähnlich der Tradition von Entwicklungen in der Open Source-Szene hat sich die Diskussion um das PepsiCo-PR-Blog im englischsprachigen ScienceBlogs-Netzwerk »aufgegabelt« in verschiedene Entwicklungsstränge.

Ein Überblick zur aktuellen Diskussion

In meinem ersten Eintrag auf dem Werbeblogger [RIP], »Blogger vs. Pepsi, Science vs. Shill: Wie ein Wissenschafts-Blog-Netzwerk sich selbst zerstört«, geht es um die Vermischung von Inhalt und Werbung. Der dazugehörige Kommentarstrang dreht sich hauptsächlich um den Stellenwert der pseudowissenschaftlichen Einträge im deutschen Ableger des ScienceBlogs-Netzwerks gleich nach seiner Gründung in 2008.

Don Alphonso beschäftigt sich in seinem Blogeintrag Hehre Wissenschaft und fiese Vermarktung mit der Frage der Bezahlung für Blogbeiträge nicht nur im wissenschaftlichen Bereich, und im dazugehörigen Kommentarstrang dreht sich vieles um die Frage, wo verlegerische Politik und Einflüsse seitens Burda Medien mit ihrer Beteiligung an den englischsprachigen ScienceBlogs beginnen und wo sie enden.

In meinem zweiten Eintrag dazu auf dem Werbeblogger [RIP], »Blogger vs. Pepsi, Science vs. Shill: Wie ein Blog-Netzwerk seine Marke demontiert«, geht es schließlich um Markenpolitik und darum, warum einige der Top-Bloggerinnen und Top-Blogger trotz des Einlenkens seitens Seed Media Group und der Löschung des PepsiCo-Blogs das ScienceBlogs-Netzwerk verlassen.

Meine eigenen Positionen zum jeweiligen Themenstrang habe ich an geeigneter Stelle jeweils ausführlich geäußert, mit Ausnahme meiner Position zur Bezahlung wissenschaftlicher Blogbeiträge. Dazu ein paar Gedanken.

Zur Bezahlung wissenschaftlicher Blogbeiträge

Zunächst einmal möchte ich in Erinnerung rufen, daß die verlegerische Ausbeutung von Wissenschaft in den englischsprachigen Ländern, wo ich mich mit dieser Thematik besser auskenne, generell und umfassend außer Rand und Band ist. Die University of California zum Beispiel erwägt zur Zeit einen Nature-Boykott. Dazu PZ Myers auf Pharyngula (alle Hervorhebungen, auch in den nachfolgenden Zitaten, von mir):

Wow. The University of California system is facing a 400% increase in the subscription cost to Nature Publishing Group’s journals. Libraries have been struggling with this problem for years, with journal costs spiraling ever upwards (usually it’s Elsevier that is leading the way), and it’s a tremendous chunk of university library budgets. […]

It’s a very weird situation because those UC researchers that Nature wants to bill more are also among the people who are providing the content for the journals, and also provides some of the reviewers who work for free to maintain the high quality of the publications. This is not to deny that the professionals who publish and edit at Nature Publishing Group aren’t an essential part of the institution of publishing, but honestly, science journal publishing has the most incomprehensible screwed up model for making money that you can find just about anywhere.

Und was England betrifft, hier Cory Doctorows zusammenfassender Kommentar zu den Ergebnissen des Peer Review Survey 2009 und Martin Wellers Auswertung in The Return on Peer Review:

Martin Weller […] concludes that 10.4m hours spent on [peer reviews] amounts to a £209,976,000 subsidy from publicly funded universities to private, for-profit journals, who then charge small fortunes to the same institutions for access to the journals.

Und auch in Deutschland scheinen Politik und Rechtsprechung die Geschäftsmodelle von Verlagshäusern und deren ungezügelte Gier für ungleich wichtiger zu halten als die Dissemination von Wissen und die Zukunft unserer Gesellschaft. Dazu Armin Medosch auf Kooptech [RIP — aber der Beitrag ist noch als Gastbeitrag auf Philosophische Schnipsel verfügbar]:

Hierbei geht es darum, dass der Staat gleich zweimal für wissenschaftliche Publikationen bezahlt, einmal, indem die Gehälter für die Forscher und Akademiker vom Staat bezahlt werden, die diese Texte erstellen, und ein zweites Mal, indem Universitätsbibliotheken hohe Gebühren an privatwirtschaftliche Verlage zahlen müssen, damit Personal und Studenten Zugang zu diesen Artikeln bekommen. Denn Bedingung für die Aufnahme eines Artikels in eines der Peer-Reviewed Wissenschafts-Magazine, in denen zu publizieren für WissenschafterInnen geradezu Pflicht ist, ist, dass die Autoren, die übrigens nichts bezahlt bekommen, Exklusivrechte an die Wissenschaftsverlage abtreten.

Nicht in allen Details stimme ich mit dem vorherrschenden Meinungsbild im oben verlinkten Blogbar-Kommentarstrang zum Thema »Bezahlung für wissenschaftliche Blogbeiträge« überein. Aber angesichts des Kontextes von wissenschaftlichen Veröffentlichungen ganz allgemein ist das Argument »die wollen ja bloß bloggen« — aus Spaß an der Freud und ohne finanzielle Interessen — ein hübsches Stimmungsbild, das von der bitteren Wahrheit ablenken soll. Und diese bittere Wahrheit ist, daß die Verlagshäuser hier einen weiteren Ausbeutungskanal eröffnet haben für all jene enthusiastischen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die ihre Forschungsergebnisse verständlich aufbereitet der Öffentlichkeit zugänglich machen wollen. Und wer jetzt meint, ich übertreibe, dem darf ich diesen Kommentar von Marc Scheloske ans Herz legen, betreuender Redakteur des deutschen Ablegers des ScienceBlogs-Netzwerks:

Ich stimme Dir insofern zu, daß die Bezahlung unbestritten sehr bescheiden ist. Weise aber (ebenso wahrheitsgemäß) darauf hin, daß unsere Autoren allesamt nicht des Honorars wegen schreiben. Die würden genauso bloggen, wenn doppelt soviel jeden Monat auf ihrem Konto landen würde und genauso viel, wenn es die Hälfte wäre. Ich kann doch auch nix dafür, daß die Autoren so ›ticken‹.

Was läßt sich dem wohl noch hinzufügen.

Und so müssen wir den einleitenden Satz zu diesem Blogposts nicht nur aufgreifen, sondern auch ergänzen: Überall gibt es Menschen, die bereit sind, umsonst oder fast umsonst zu arbeiten für das, was sie für wichtig halten — und überall gibt es Menschen, die nur zu gerne die Gelegenheit wahrnehmen, daran schamlos zu verdienen.

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