Beim SZ-Trigami-Gate ist nicht das Vermutete das Skandalöse. Das Skandalöse ist vielmehr, daß Scrooge McDuck die Hauptrolle im Bettelstudenten spielt.
[Hinweis: Trigami einschießlich Website mit Dienstleistungspalette haben mittlerweile das Zeitliche gesegnet.]
Wenn Ridley Scott nicht bald seine angekündigte Alien-Prequel dreht, gehen mir die Titel für meine Blogsöldners-Serie aus. Für alle, die es nicht oder nur am Rande mitbekamen: sueddeutsche.de, die Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung, gab eine virale Kampagne in Auftrag, und die hat sie auch bekommen.
Der Blogsöldner-Clusterfuck in drei einfachen Schritten:
- Auf Upload: Magazin für digitales Publizieren berichtet Jan Tißler darüber, wie sueddeutsche.de beim Dienstleister Trigami eine Blogsöldnerkompanie einkaufte, um die sueddeutsche iPhone-App in Blogs bejauchzeln zu lassen und positive Bewertungen im App Store zu hinterlassen.
- Für sueddeutsche.de erklärt der Marketingverantwortliche Peter Bilz-Wohlgemuth, daß die Kampagne gar nicht auf »lobende Blogposts« abgezielt habe, und die Zusammenarbeit mit Trigami für beendet. Jedoch waren die Blogsöldner nachweisfähig genau für diese Dienstleistung gebucht — also nicht für eigenständige Text-Reviews, sondern für Advertorials mit voller inhaltlicher Kontrolle für den Auftraggeber.
- Remo Uherek, der Geschäftsführer von Trigami, gibt eine Erklärung ab, daß alles nur ein großes Mißverständnis war: die Süddeutsche treffe keine Schuld und alles, was vor die Wand gefahren worden sei, sei von & bei Trigami vor die Wand gefahren worden.
So steil, so gut.
Keine Vorwürfe, wie ich finde, kann den beteiligten Parteien — sueddeutsche.de, Trigami, Blogsöldners — gemacht werden hinsichtlich Kennzeichnungspflichten. Die Blogposts (mittlerweile offline) sind klar als Anzeigen gekennzeichnet und Peinliches allein ist noch nicht strafbewehrt. Wie einer der beteiligten Blogsöldner seinen eigenen Eintrag völlig korrekt kommentiert [Link nicht mehr online]:
Denn der Auftrag war ganz klar und unmissverständlich gestellt: Werbung – kein Review. Hätten wir unsere Seite mit Werbebannern zur App gepflastert wäre das aufs gleiche hinausgekommen. Was die Sueddeutsche macht muss sie selber wissen. Punkt!
Es gibt noch mehr zu exkulpieren. Den Ruf, den die Online-Ausgabe der Süddeutschen mit dieser Aktion zu verlieren hat, muß sie sich erst verdienen. Da auch neutrale »Wörter des Jahres« hierzulande dank sprachnörglerischer Tümeleien teilmaschinell in sogenannte »Unworte« verwandelt werden, an denen es sich enthusiastisch reiben läßt, bis die eigene Lampe immer größer wird, erkläre ich hiermit, mein folgendes persönliches Wort des Jahres 2009 uneingeschränkt positiv zu meinen: Der von Don Alphonso im Blogeintrag »Bezahlinhalte. Schon wieder.« geprägte Begriff »klickgeile Müllhalde«, der weite Teile unserer digitalen Medienlandschaft klarer und treffsicherer beschreibt, als ich es für möglich gehalten hätte. Auch hier gibt es also beim SZ-Trigami-Gate im Grunde nicht viele Scherben aufzulesen.
Auch zur Aussage von Peter Bilz-Wohlgemuth von sueddeutsche.de »1. Wir wollten eine virale Kampagne lancieren« fällt es schwer, sich auch nur so viel wie ein Stöhnen abzuringen, seitdem alles als »viral« bezeichnet wird, was nicht als klassisches Mainzelmännchensandwich in die Vorabendprogramme der Öffentlich-Rechtlichen gebuttert wird.
Was ich wirklich unglaublich finde, ist vielmehr dies:
Wenn Medien, die einen mit ihrem »gefährdeten Qualitätsjournalismus« beschallen, bis die Ohren bluten, und die sich nun mit ihrem Hängeranzen aus fetten vergeudeten Dekaden wie halbverhungerte Flüchtlingskinder zur Regierung schleppen, damit die Steuerzahler ihnen als Aktion-Sorgenkind-Presse-Special neue Geschäftsmodelle finanzieren, es völlig in Ordnung finden, daß sie ihre »viralen Kampagnen« nicht von Profis konzipieren, realisieren und betexten lassen, sondern von blogsöldnernden Amateuren bei Gegenwertsuntergrenzen von zwei Mal Cheeseburger Royal mit Fritten Ketchup große Cola.
Alle Einträge zum Thema Blogsöldner.
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