Werben hat mit hoher Literatur nicht viel zu tun, aber hinsichtlich Absicht und Schreibtechnik gibt es viele Parallelen zur Unterhaltungsliteratur.
Während die wahren oder vermeintlichen Unterschiede zwischen Copy und kreativem Schreiben allenthalben großzügig belabert werden, kommen die vielen Gemeinsamkeiten durchweg zu kurz. Ein Schelm ist, wer Böses dabei denkt: Regeln und Techniken, die schwungvoll verworfen werden, brauchen schließlich nicht gelernt oder beherrscht zu werden.
Vergessen wird in diesem Diskurs auch ganz besonders, daß »kreatives Schreiben« ein vielköpfiges Monster mit jeweils multiplen Zungen ist. Kommen die Unterschiede zwischen Werbetext und kreativem Schreiben zur Sprache, werden gerne Werke vom Kaliber Duineser Elegien oder Finnegans Wake als Strohmänner beschworen — die sich zugunsten des Arguments von Klarheit im Werbetext dann auch prompt manierlich exorzieren lassen.
Ganz anders als mit Rilke oder Joyce sieht dies aber aus mit sogenannter »Genre-« oder, noch allgemeiner, »Unterhaltungsliteratur«.
Da gibt es natürlich eine enorme Bandbreite zwischen Einwegschinkchen vom Grabbelstand und langfristigen Zierden fürs Bücherregal, zwischen Jerry Cotton und Friedrich Dürrenmatt, zwischen John Sinclair und H. P. Lovecraft, zwischen Amanda Ripley und Margaret Mitchell, zwischen Wolfgang Hohlbein und Michael Ende. Aber das ist in der Werbung ja nicht anders, von »Mach mich voll«-Betextungen von Tellern bis zu den einst berühmten Longcopys für die Mercedes Benz SL-Klasse von Springer & Jacoby.
Der Hauptaspekt von Genre- bzw. Unterhaltungsliteratur liegt wie beim Werbetext darauf, zu verkaufen, unabhängig davon, wie informativ, originell, tiefgründig oder stylish die individuellen Texte sind. Und beide Textarten haben damit zu tun, daß das jeweilige Produkt, im allerweitesten Sinne, gefallen soll, und das wiederum so gut wie immer auf eine Weise, die in irgendeiner Form weitere Käufe nach sich ziehen soll.
Weder in der Genre- bzw. Unterhaltungsliteratur noch im Werbetext ist es verboten, etwas »auszudrücken«. Aber in beiden Fällen darf dies nicht die eigentliche Absicht behindern oder überlagern.
Ein großer, wenn nicht der größte, Unterschied besteht darin, daß ein Gerne- oder Unterhaltungstext »sein eigenes Produkt« ist, und das ist guter Werbetext sicherlich nicht. Aber selbst hier gibt es Parallelen, denn »schlechter« Werbetext entsteht oft ja gerade dadurch, daß er auf Kreativpreise schielt und dabei nicht das Produkt, sondern ungeniert sich selbst bewirbt.
Tatsächlich geht die Verwandtschaft oft bis ins Detail, und über solche Details werde ich in unregelmäßiger Reihenfolge berichten.
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