Mit erfolglosen Produkteinführungen werden jährlich zehn Milliarden Euro verbrannt. Ein “Markt-Mockup” für Live-Tests wäre vielleicht eine Lösung.
Zu den aufregenden Erlebnissen, die sich mit ein bißchen Glück & Timing im Houston Space Center mitverfolgen lassen, gehört eine Live-Übung in einem gigantischen Bassin, in dem Space-Shuttle-Crews in Raumanzügen unter Wasser, welches quasi “LoFi”-Schwerelosigkeit simuliert, an einem “HiFi”-Mockup arbeiten: an einem so original wie möglich nachgebauten aktuellen Shuttle. Ohne die Infrastruktur des Shuttle-Programms als solches einzurechnen, kostet jeder Shuttle-Start etwa 60 Millionen Dollar. Da lohnt sich eine solche Kombination aus HiFi-Mockup und LoFi-Umgebung zu Übungs- und Vorbereitungszwecken allemal.
Und in der Werbung? Im Consumer-Bereich können 60 Millionen Dollar schnell zu Erdnüssen werden; Microsofts kürzlichst angekündigte Follow-up-Kampagne, um dieser Bleiente namens “Vista” ein paar heißluftgefüllte Auftriebsringe zu verpassen, spielt sich im Bereich von 300 Millionen ab, als Beispiel. Aber auch im B2B-Bereich können enorme Summen schnell zustande kommen.
Und hier wird es manchmal wirklich zum Witz, wie über die Tauglichkeit von Kampagnen-Motiven, Layouts, Headlines und Copy entschieden wird. Ganz so schlimm wie ein paar Ausdrucke ans Schwarze Brett zu tackern ist es sicher nicht mehr, aber von einem “HiFi-Mockup” ist es trotzdem oft viel zu weit entfernt. Und selbst wenn sich jemand die Mühe macht, wirklich hochwertige HiFi-Mockups von Werbemitteln herzustellen, sorgen die wenigsten für die ebenso wichtige LoFi-Simulation der tatsächlichen Umgebung, in der dieses Werbemittel verabreicht oder wahrgenommen werden soll. An einem Shuttle herumzuschrauben mit festem Boden unter den Füßen und gewohnter Schwere von 1G bereitet auch nicht wirklich auf den Einsatz vor. Eine Art »Simulationsraum« fände ich nicht schlecht, mit flexiblen Trennwänden, in dem sich Umgebungen vom Supermarkt-Warenregal über Messestand bis zu Plakatwand, Mini-Kino und Wohnzimmer mit TV-Gerät simulieren lassen. Genau wie das Bassin dürfte eine gut durchdachte LoFi-Simulation mit minimalen Ergänzungen für Jahrzehnte reichen, mit nur minimalen Kosten für dynamische Veränderungen entlang dessen, was sich draußen an kulturellen Änderungen tut.
Vielleicht eine etwas abseits gelegene Idee, und letztendlich gilt ja auch, daß selbst die beste Simulation nur so gut sein kann wie die Leute, die sie auswerten. Sei’s drum: Nach der letzten mir bekannten Studie vom Markenverband & Co. zu den 2006er-Zahlen fahren mehr als zwei Drittel aller Kampagnen zur Produkteinführung an die Wand und versenken jährlich zehn Milliarden Euro. Whoa! Das ist mehr als das Doppelte von dem, was das komplette Space-Shuttle-Programm pro Jahr einschließlich Infrastruktur verbraucht. Und natürlich sollte eine solche Simulation, vornehmlich im B2C-Bereich, echte Live-Tests keinesfalls ersetzen. Aber Live-Tests sind enorm aufwendig in der Planung, in der Durchführung und nicht zuletzt auch in der Analyse. Und jede Gelegenheit, Strategien und Elemente, die nicht funktionieren, schon im Vorfeld auszusieben, setzt geradezu unanständig hohe Geldsummen für sinnvollere Dinge frei.
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