Wo Literaturtheorie und Werbetexten sich berühren, weil die Frage danach, »wie« ein Text funktioniert, wichtig und nützlich ist fürs Werbetexten.
Als ich mir unseren Werbeblogger-Kuschelkautsch-Podcast [RIP] noch einmal bei Tageslicht anhörte, fielen mir zwei Themen auf, wo ich Brücken mit Jell-O baute: Zwischen Literaturtheorie und Werbetext sowie Amerika und hier.
Die zweite Brücke sei nur kurz gestreift — in unserem (getippten) Chat vor dem spontanen Podcast hatten Roland und ich das Thema Amerika recht ausführlich erörtert, und diese Vorinformationen fehlten dann im Podcast an den Stellen, an denen ich mich fröhlich über meine »Amerikanisierung« erging. Ich will das hier nicht alles aufrollen, aber ich stehe seit vielen Jahren knietief mit einem Bein und Biorhyhthmus auf der anderen Seite des Teichs, und wenn ich meinen Doktor eingetütet habe, würde ich das andere Bein gern folgen lassen, schon allein für die Balance und meinen Nachtschlaf.
Die zweite Brücke ist selbst mit größerer Ausführlichkeit deutlich schwieriger zu zementieren, aber da hat Roland mich auch aufs Glatteis geführt ;-) im wahrsten Sinne des Wortes, mit seiner (Colbert-Report-verdächtigen) Bemerkung, »he, du hast gerade gesagt, daß Literatur und Werbetext nichts miteinander zu tun haben!«, LOL! Worauf ich ins Schwafeln geriet und mir rasch etwas über Literaturtheorie und “close reading” aus den Fingern sog, um die Radikalität dieser Aussage zumindest ein wenig abzuschwächen.
Zunächst einmal: Literaturtheorie, und speziell postmoderne Literaturtheorie, hat auch Berge von Nonsens hervorgebracht, und ich persönlich habe mich in der Regel (okay, nicht immer :flöt:) bemüht, Literaturtheorie mit möglichst fundierten Kenntnissen in Linguistik und Sprachgeschichte zu temperieren. Aber unabhängig von Brillanz oder Nonsens ist eine der auffälligsten Eigenschaften postmoderner Literaturtheorie, daß sie sich weniger dafür interessiert, was ein Text sagt (»Interpretation«), sondern wie er es sagt und unter welchen Umständen (»Kontext«) er möglicherweise etwas anderes sagt, und zu den wesentlichen Untersuchungsgegenständen gehören Textstruktur, bildhafte Sprache und Rhetorik.
Beim Texten — als etwas bemühte Parallele — bin ich nicht daran interessiert, ob der Text »schön« ist oder kreativ oder witzig oder was auch immer, sondern daran, ob er funktioniert, und warum er das tut und ob er unter veränderten Umständen (»Kontext«) schlechter funktioniert, und was sich daran ändern läßt. Aus meinem Werkzeugkoffer benutze ich dafür als Elemente Textstruktur, bildhafte Sprache und Rhetorik.
Tatsächlich ist das eine wie das andere, und das war die Richtung gewesen, die ich ad hoc im Podcast einschlug, mit der minutiösen Beschäftigung mit oft kleinsten sprachlichen Einheiten verbunden. Mehr wollte ich dazu auch gar nicht sagen. (Oder anders formuliert: Mehr fiel mir dazu in diesem Augenblick zum Glück! auch gar nicht ein.)
Egal, wie gut oder erfahren ich als Texter bin — ich kann unmöglich vorhersehen, welche Worte und Formulierungen in einem ganz bestimmten Kontext (Produktgruppe, Zielgruppe, sozialer Kontext, wirtschaftliche Lage etc. pp.) die bestmögliche Wirkung haben1. Das läßt sich nur testen. Und deshalb schreibe ich begeistert fünf, zehn, zwei Dutzend verschiedener Headlines und Copy-Varianten, wenn die Sachen zumindest rudimentären Tests unterzogen werden und nachvollziehbar wird, welche davon am besten funktionieren. Aber drei Fassungen zu schreiben, damit der Kunde sich aussuchen kann, was ihm davon am besten gefällt, ist geldverbrennender Unsinn.
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