Einmal unsere Erde vom Weltraum aus betrachten – davon träumen viele Menschen. Aber das war bis jetzt nur einigen wenigen ausgebildeten Astronauten möglich. Der Rest der Menschheit kann unseren blauen Planeten auf Bildern bewundern und auch das kann schon sehr faszinierend sein. Auch ich finde es nach wie vor unglaublich, wie magisch unsere Erde vom Weltraum aus betrachtet aussieht, wenn ich mir solche Bilder anschaue. Wir haben schon so viel erreicht, Menschen können in den Weltraum fliegen – schon seit fast 50 Jahren. Die Technik ist da. Und dennoch bleibt dieses Erlebnis dem Großteil der Menschheit ein unerreichbarer Traum. Doch das wird sich bald ändern – zumindest, wenn es nach Richard Branson geht. Der Milliardär und Gründer von Virgin will mit seinem Projekt “Virgin Galactic” den Weltraum erobern und den kommerziellen Weltraumtourismus so weit vorantreiben, dass ein Kurztrip in den Weltraum schon bald so ähnlich einfach ist, wie eine Reise zu den Malediven.
»Bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter!«
Wie der Unternehmer Richard Branson mit Virgin Galactic den Weltraum erobern will
Ein Gastbeitrag von Christiane Schneider
Kann man sich ohne vorherige Erfahrung ins Weltall schießen lassen? Offenbar ja, wenn man Richard Branson glaubt. Nur zwei Tage psychische und physische Vorbereitung warten auf den Weltraumtouristen. Dann beginnt bereits die Reise mit dem Space-Ship 2, das die maximal sechs Passagiere in eine Höhe von 110 km bringt mit Hilfe von ca. 4.800km/h, welche der vierfachen Schallgeschwindigkeit entsprechen. Für eine kurze Zeit ist man schwerelos und kann auf die Erde schauen. Ein Ausblick, der einem den Atem raubt, wie in einer Broschüre von Virgin Galactic nachzulesen ist:
The incredibly narrow ribbon of atmosphere looks worryingly fragile. What you are looking at is the source of everything it means to be human, and it is home.
Oder wie ein Testpilot von Virgin Galactic sagte:
You cannot appreciate the experience just by looking at a magazine cover…to take it in with your own eyes, everything you feel in your body is the same, it is…WOW.
Der Flug dauert insgesamt 2,5 Stunden, auf Toilette gehen ist übrigens nicht möglich. Wie der Flug genau abläuft, ist hier zu sehen:
Virgin Galactic Flight Showreel
Aber wer kann sich das überhaupt leisten? Noch ist die Idee, dass sich wirklich beinahe jeder gutverdienende Mensch einen Weltraumflug leisten kann, keineswegs Realität. Der massentaugliche Weltraumtourismus dürfte erst in einigen Jahrzehnten Wirklichkeit werden. Bis jetzt sind die Tickets ins All bei Virgin Galactic für 200.000 Dollar zu erwerben. Das kann sich nur leisten, wer das nötige Kleingeld besitzt. 520 Buchungen lagen bereits Mitte 2012 vor. Richard Branson wird mit Sohn und Tochter den ersten Flug antreten, Stars wie Ashton Kutcher, Paris Hilton, Stephen Hawking oder Brad Pitt sollen folgen. Und der Traum ist damit noch nicht zu Ende geträumt. Auch wenn laut einem Sprecher von Virgin Galactic noch nicht die Rede ist von Weltraum-Hotels und Weltraum-Wohnungen – in Russland sollen erste Vorbereitungen dafür schon laufen.
Doch wie hoch sind eigentlich die Risiken eines solchen Weltraumtrips? Der ehemalige Astronaut Rick Hauck befürchtet, dass die zukünftigen Weltraumtouristen nur auf das Abenteuer aus sind und vergessen, dass Weltraumflüge ein hohes Risiko bergen. Laut Hauck sei es unmöglich, dass das Risiko eines Weltraumfluges gleich null ist. Ein Unfall mit einem Space-Ship liege bei einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 20. Die Wahrscheinlichkeit mit einem Flugzeug abzustürzen nur bei 1 zu 5 Millionen.
Und genau diese Risiken sind es offenbar auch, wegen denen der Start der ersten mit Passagieren besetzten Flüge von Virgin Galactic immer wieder verschoben wurde. Zuerst sollte es schon 2011 soweit sein, danach 2012, das jetzige Datum liegt irgendwo Ende 2013. Der Grund: es gab doch mehr Probleme, als Richard Branson vorher dachte. 2007 explodierte ein Treibstofftank eines Space-Ship 2 – drei Ingenieure starben. Und der Weltraumflughafen musste wegen Konstruktionsfehlern auch mehrere Jahre auf seine Eröffnung warten. Doch die Frage ist: sollte es tatsächlich zu einem schweren Unfall bei Virgin Galactic kommen, wie wären dann die Konsequenzen für das gesamte Unternehmen und Richard Branson? Branson verfolgt den charismatischen Führungsstil und das macht er nahezu perfekt, wie es scheint. Mitarbeiter und Kunden »lieben« ihn und vertrauen ihm. Sie vertrauen darauf, dass das, was er tut, schon gut werden wird so wie z. B. die erfolgreiche Fluglinie Virgin Airways, mit der Branson sich damals einen Traum erfüllte. Genauso will er sich jetzt den Traum vom Weltraumtourismus erfüllen. Und wenn mal etwas nicht funktioniert – dann eben nicht, so wie z. B. Virgin Cola. Aber diese Philosophie lässt sich, wenn es um das Leben von Menschen geht, nicht einfach übertragen. Ein Unfall, gerade in der Einführungsphase von Virgin Galactic, könnte Konsequenzen für Mitarbeiter, Teilnehmer, Familien der Teilnehmer, den Ruf von Richard Branson und Virgin – für den gesamten Weltraumtourismus und alles, was daran beteiligt ist, haben. Ein gutes Risikomanagement und auch ein gutes Krisenmanagement sind also für Virgin Galactic und Richard Branson unausweichlich. Wichtig ist bei dem Risikomanagement besonders eines: von Anfang an muss den Weltraumtouristen klargemacht werden, dass es sich um ein sehr hohes Risiko handelt, wenn man sich in den Weltraum wagt – die Risikokommunikation muss demnach stimmen. Denn falls ein Unfall passiert, kann Virgin immer noch sagen: die Teilnehmer waren sich dem Risiko bewusst. Um Risikominderung ist Richard Branson offensichtlich bemüht. Ansonsten wären die angekündigten Starts nicht immer wieder verschoben worden. Das zeigt, dass man bei Virgin wirklich alles tun möchte, um das Risiko so gering wie möglich zu halten, bevor der Weltraumtourismus wirklich alltagstauglich wird. Ständige Forschung und Analyse von Daten ist besonders wichtig. Doch ein Restrisiko wird trotzdem immer bleiben, auch das muss ausreichend kommuniziert werden. Die Öffentlichkeit müsste das aber längst wissen, nach zwei Unfällen mit Space-Shuttles der NASA.
Bezüglich des Krisenmanagements bei einem Unfall mit einem Space-Ship muss Virgin seine Mitarbeiter, insbesondere die Piloten, perfekt ausbilden. Sie müssen auf den Ernstfall vorbereitet sein. Regelmäßige Durchführungen von Worst-Case Szenarien sind unabdinglich. Besonders die Angehörigen der Weltraumtouristen müssten nach einem Unfall spezielle Betreuung von Virgin erfahren. Zuletzt ist ein weiterer wichtiger Punkt die Krisenkommunikation. Sollte es zu einem Unfall kommen, darf vor allem Richard Branson, als Chef von Virgin, mit dem die Marke verbunden wird, sich nicht aus der Verantwortung ziehen. Er muss sich dann den Medien und den Konsequenzen stellen. Was könnten die Konsequenzen schließlich sein? Ich könnte mir vorstellen, dass Virgin Galactic nach einem Unfall zumindest vorübergehend, wenn nicht sogar komplett eingestellt wird. In der Regel hat Richard Branson mit der Eliminierung einer Sparte seines Unternehmens kein Problem – auch wenn wirklich viele Millionen in das Projekt Virgin Galactic geflossen sind. Ob der Ruf von Virgin so stark beschädigt wäre, dass auch die anderen Sparten des Unternehmens darunter leiden würden, das ist fraglich. Ich schätze, dass seine Mitarbeiter trotzdem weiter hinter Richard Branson stehen würden und auch die Kunden anderer Sparten, auch die von Virgin Airways, was ja eine verwandte Sparte von Virgin Galactic darstellt, weiterhin die Produkte von Virgin nutzen würden. Dafür ist Richard Branson einfach viel zu charismatisch, ich denke nicht, dass ihm ein solcher Vorfall langfristig übelgenommen werden würde. Zumal jeder Weltraumtourist auf eigene Gefahr reist. Stände nicht jemand wie Richard Branson hinter dem Ganzen, dann wäre ein solcher Unfall ganz sicher der Tod eines Unternehmens. Es wäre aber zumindest ein Dämpfer für die gesamte Weltraumtourismus-Industrie, die sich gerade erst in der Anfangsphase befindet. Andere Anbieter würden vielleicht zögern und eigene Starts verschieben, weiter forschen und noch einmal ihr eigenes Risikomanagement unter die Lupe nehmen.
Ebenfalls fraglich sind die Auswirkungen von Weltraumtourismus auf das Klima. Bei angenommen 1000 Flügen pro Jahr wären die Emissionen des Space-Ships mit 600 Tonnen CO2 zwar weit unter dem Wert, den jährlich sämtliche Passagierflugzeuge ausstoßen. Das Problem sehen Forscher darin, dass die Flugzeuge nicht so hoch fliegen wie die Space-Ships und so die Verschmutzungen leichter innerhalb weniger Wochen mit dem Regen ausgewaschen werden können. Die Space-Ships stoßen ihre Emissionen aber weit über der Höhe aus, in der sich das Wetter auf unserer Erde abspielt. Somit würde es mindestens 10 Jahre dauern, bis diese Verschmutzungen sich auflösen würden. Hier spielt die Corporate Social Responsibility von Richard Branson eine Rolle. Er setzt auf bestimmte Flugtechniken und Hybridantrieb, um den Schadstoffausstoß so gering wie möglich zu halten. Denn die Natur liegt ihm sehr am Herzen.
Aber gibt es nicht auf der Erde noch genug Probleme zu lösen, in welche das Geld, das nun in den Weltraum geschossen wird, besser investiert wäre? Richard Branson sagt, dass er denkt, dass gerade der Weltraumtourismus den Menschen, vor allem vorerst nur den reichen Menschen, zeigen kann, wie wertvoll und schön unsere Erde ist. Dass es sie zu schützen gilt und alle Lebewesen mit ihnen. Und dass genau das vielen Menschen erst klar wird, wenn sie das mit eigenen Augen sehen. Er möchte reiche Menschen somit auch motivieren, sich für den Umweltschutz einzusetzen.
Hat Virgin Galactic Zukunft? Werden wir bald alle potenzielle Weltraumtouristen sein? Sicherlich hat “Virgin Galactic” Zukunft, denn der Wettkampf im Weltraumtourismus hat gerade erst begonnen und verspricht sogar viele neue Arbeitsplätze. Russen und Amerikaner wollen bald mit eigenen Projekten nachziehen und offenbar gibt es bereits genug Interessenten. Ob es in naher Zukunft wirklich Reisen für die breite Masse geben wird, das steht noch in den Sternen. Natürlich ist es abzusehen, dass die Preise für Tickets mit der Zeit sinken werden. Doch unter 50.000 Dollar ist solch ein Flug sicher nicht zu realisieren. Aber zumindest wird es für viele Menschen nicht mehr länger nur ein Traum bleiben, einmal ins Weltall zu reisen. Man bekommt vielleicht leicht den Eindruck, als wäre das alles ohne jegliche Gefahren, so wie es in Animationen gezeigt wird, doch ein gewisses Risiko wird immer bleiben und es muss weiterhin intensive, teure Forschung betrieben werden, um das Risiko so minimal wie möglich zu halten.
The phrase lulls people into believing that such ventures are routine and low-risk. And if that’s the perception, the inevitable accidents will be as traumatic as those of the Space Shuttle. —Martin Rees, Astronomer
Das weiß auch Stephen Attenborough von Virgin Galactic: »Wir haben nie gesagt, dass es nicht riskant ist. Aber was ist überhaupt im Leben nicht riskant?«
Und so muss am Ende jeder für sich entscheiden, ob es ihm das Geld wert ist, um einen kurzen, vier-minütigen Blick in Schwerelosigkeit auf unsere Erde zu werfen. Wie heißt es doch? Nur weil man etwas tun kann, heißt das nicht, dass man es tun sollte. Es gibt genug Menschen, die strikt gegen Weltraumtourismus sind und selbst, wenn sie das Geld hätten, lieber in unsere Erde investieren als ins All. Richard Branson rechnet trotzdem bei Virgin Galactic mit Tausenden Touristen pro Jahr im Jahr 2022. Viele halten das für unmöglich. Aber wenn einmal die Grenze, in diesem Fall die des Weltalls, für theoretisch jeden Menschen offen ist, dann ist meiner Meinung nach wirklich alles möglich – vom Weltraum-Hotel bis zum eigenen Weltraum-Haus. Gewissermaßen frei nach Buzz Lightyear: »Bis in die Unendlichkeit und noch viel weiter!«
Ich für meinen Teil werde mir, selbst wenn ich das Geld hätte, lieber weiterhin die Erde auf Bildern anschauen und nicht dafür ins Weltall reisen. Denn noch scheinen die Risiken zu groß.
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Ja, das Risiko ist groß — aber solche Unternehmungen sind immer mit Risiken behaftet. Wichtig ist, wie gut das Risiko sich kalkulieren läßt. Würde Virgin Galactic als Unternehmen ein Unglück überleben? Vielleicht unwahrscheinlich. Aber zumindest glaube ich nicht, daß es den anderen Virgin-Unternehmungen bleibenden Schaden zufügen würde.
Anders mit dem kürzlichen Sprung Felix Baumgartners für das Projekt “Red Bull Stratos”. Spektakulär — aber wenn hier etwas schiefgegangen wäre, glaube ich nicht, daß Red Bull sich als Marke davon hätte erholen können.
Der Unterschied? Von allem anderen abgesehen spielt dabei vermutlich auch eine Rolle, daß Baumgartners Sprung trotz aller individueller Leistung letztendlich ein »Marketing-Stunt« war, während Virgin Galactic uns als Spezies den Sternen näherbrächte. Dieser höhere »Einsatz«, und damit auch das Risiko, würden im Falle eines Unglücks wahrscheinlich stärker auf Verständnis stoßen.
Ja, du hast recht. Ich denke auch, dass Red Bull sich – wäre es zu einem Unfall gekommen – nicht so leicht davon hätte erholen können. Allein schon, weil das wirklich durch alle Medien ging – es war eben ein Marketing-Stunt, wie du schon sagst. Da wurde so ein Hype drumherum erzeugt, dass ich mir damals, als der Sprung vollzoigen wurde auch dachte: wenn das jetzt schief geht, dann steht Red Bull wirklich verdammt schlecht da.