Die Community, als das Öl im Getriebe von Innovationsprozessen. Kreativität, Wissen und jede Menge Innovationspotenzial warten da draußen. Wenn es da an eigenen Ideen mangelt, wird die Erschließung einer kollektiven Wissensbasis für Unternehmen interessant.
Open Innovation
Das Wissen und die Ideen der kreativen Masse
Ein Gastbeitrag von Nadine Kretsch
Die Phrase »Das haben wir immer schon so gemacht«, die genau das Gegenteil von dem beschreibt, was man normalerweise mit einer innovativen Denkweise verbindet, hat im Innovationsmanagement nichts verloren. Unternehmen müssen sich endlich von zu starren Prozessregeln und Modellen verabschieden, sonst bleiben die wirklich guten Ideen eben doch nur Zukunftsmusik.
Wie bringt man eine Produktneuheit an den Mann? In dem man seinen Kunden suggeriert, das genau dieses Gadget das ist, was er sich schon immer gewünscht hat und ohne das er in Zukunft nicht mehr leben kann – ganz unabhängig davon, ob dies tatsächlich dem realen Nutzen entspricht. Was wäre aber, wenn man dem Verbraucher wirklich das anbietet, was auf seiner Präferenzliste ganz oben steht?
Unter dem Schlagwort Open Innovation zeichnet sich ein entscheidender Umbruch im Innovationsmanagement ab. Das Miteinbeziehen des Konsumenten in den Innovationsprozess, um sich von dessen Wissen und Kreativität inspirieren zu lassen, dies ist der Weg den Unternehmen zukünftig verstärkt gehen müssen.
Der Begriff Open Innovation geht auf Henry Chesbrough zurück. Der Professor und Geschäftsführer des Center for Open Innovation, an der Haas School of Business in der University of California, Berkeley ebnete mit seinen Büchern den Weg für verbessertes und vor allen Dingen interaktiveres Innovationsmanagement.
Aufbauend auf Chesbroughs Ideen, beschreiben die Autoren Gassmann und Enkel den steigenden Wettbewerbsdruck im Zuge der Globalisierung und immer kürzer werdende Produktlebenszyklen, aus denen sich für viele Unternehmen ein enorm hoher Innovationsdruck ergibt, als die maßgeblichen Faktoren für die Notwendigkeit Innovationsprozesse zu optimieren.
Schließlich nützt es Unternehmen nichts, sich auf Märkten zu bewegen, wo es von identischen und austauschbaren Produkten nur so wimmelt. Wenn man da im Markt scheitert, wie kann man dann von sich behaupten sein Produktportfolio an den Bedürfnissen der Kunden orientiert zu haben. Eine ernüchternde Misserfolgsrate neuer Produkte von bis zu 60% in Konsumgütermärkten (nach Gassmann und Enkel, 2006) unterstreicht diese These. Der Schlüssel zum Erfolg liegt also darin, gemeinsam mit seinen Kunden die Lücken im Entwicklungsprozess zu schließen, um wirklich innovative Produkte zu erschaffen.
Wenn sich ein Unternehmen nun dazu entschließt, Open Innovation zu betreiben, stehen drei Varianten zur Verfügung, wie externes Wissen herangezogen und nutzbar gemacht werden kann:
- Outside-In-Prozess
Die Integration externen Know-Hows von Kunden, Lieferanten und Partnerunternehmen soll genutzt werden, um die Qualität und Geschwindigkeit von Innovationsprozessen zu erhöhen. Mit Hilfe dieses Instruments soll das Risiko von Innovationsflops verhindert und die damit verbundenen wirtschaftlichen Gefahren von Unternehmen eingedämmt werden. - Inside-Out-Prozess
Der Ort, an dem Wissen und Innovation entstehen, muss aber nicht immer mit dem Ort übereinstimmen, an dem Innovationen genutzt und in neue Produkte umgesetzt werden. Unternehmen können beispielsweise auch Lizenzgebühren für Patente bzw. Innovationen einnehmen, die über die operative Geschäftstätigkeit hinausgehen. - Coupled-Prozess
Das Schaffen von Standards und der Aufbau von Märkten stehen hier im Fokus. Bei dieser Mischform aus Outside-In- und Inside-Out-Prozessen soll die Unternehmensumwelt aktiv in die Entwicklung von Innovationen integriert werden und durch die gleichzeitige Externalisierung dieser Produkte soll sich ein Markt um die entsprechenden Innovationen herum aufbauen.
Wer schon einmal von Netnography und Crowdsourcing gehört hat, der weiß, dass interaktives Innovationsmanagement bereits praktiziert wird und, dass dieser Trend in Zukunft weiter voranschreiten wird. Bei Netnography beispielsweise handelt es sich um eine clevere Methode, bei der Unternehmen Online-Communitys nutzen um – aus deren Interessen und Erfahrungsberichten – Wissen für ihr Innovationsmanagement zu schöpfen.
Bei Crowdsourcing indes findet sich eine offene, beliebig große Gruppe von Internetnutzern auf einer virtuellen Plattform zusammen, um an einer definierten Aufgabenstellung zu arbeiten. Auf diese Weise wird ein interaktiver Wert generiert, der sich wiederum für die Produktentwicklung einsetzen lässt.
Ebenfalls interessant, die Ideen zu Co-Creation und Lead User. Bei Co-Creation setzt man auch auf die Innovationskraft einer Community. Bei dieser Art der Wertschöpfung für Unternehmen entwickelt, produziert und verkauft man gemeinsam mit freiwilligen Internetnutzern neue Produkte.
Bei Lead Usern handelt es sich meist um Nutzer, die mit ihren Wünschen und Bedürfnissen dem Massenmarkt vorauseilen. Ihre Ideen können dem Innovationsmanagement von hohem Nutzen sein, um die Probleme zukünftiger Märkte besser zu lösen. Lead User treten zwar oft als Innovatoren auf, agieren aber selten in Isolation. Meist befinden sie sich in Interaktion mit anderen Nutzern, die ihre Ideen teilen. Die Unterstützung der Community wiederum liefert Unternehmen den Beweis, dass auf diese Weise entstandene Produktideen Massenmarkttauglichkeit besitzen.
Gelungene Beispiele für Open Innovation dürfen hier selbstverständlich auch nicht fehlen. Deshalb folgt an dieser Stelle eine kleine Auswahl:
- Threadless: Das Mode-Unternehmen verkauft T-Shirts und lässt den Kunden deren Design mitbestimmen. So kann jeder seinen Entwurf vorstellen und von der Community bewerten lassen.
- Dell: Auf der IdeaStorm-Plattform des Computer-Herstellers übernimmt der Verbraucher den Kundenservice selbst. Neu- und Altkunden geben sich dort Tipps zu den Produkten von Dell.
- Tchibo: Auf Tchibo-Ideas können Menschen über ihre Alltagsprobleme und unerfüllten Produktwünsche diskutieren. Die besten Ideen werden dann tatsächlich von Tchibo umgesetzt.
- Fiat 500: Fans von Fiat durften im Jahr 2007 quasi »ihr« Auto kreieren. Der Verbraucher bekam die Möglichkeit, die Innenausstattung, den Auspuff und das Design der Seitenspiegel des neuen Fiat 500 maßgeblich mitzugestalten.
- Paulo Coelho: Der brasilianische Autor Paulo Coelho ist extrem aktiv im Web und sucht dort den permanenten Kontakt zu seinen Lesern. Unter diesem Gesichtspunkt war es nur konsequent, dass er im Jahr 2008 sein Werk Die Hexe von Portobello durch seine große Fangemeinde verfilmen ließ.
Bildnachweis:
Radwerk von Erwin Lorenzen | pixelio.de
Inspiration/weiterführende Quellen:
Hebeleffekte in der Innovation
Open Innovation
Customer Co-Creation
Lead User
Open Innovation und Innovationsmanagement
Crowdsourcing-Projekte
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Seit die digitalen Möglichkeiten dazu existieren, hat Kokreation (oder Cocreation) sich bereits so oft bewährt, daß es das Potential hat, in Zukunft zum »Standardfall« zu werden. Wenn es richtig durchgeführt wird, ist es eine großartige Sache — als ein weiteres Best Case-Szenario wäre auch Ritter Sport unter der Federführung von Elbkind zu nennen.
Wer seinen Kunden tolle Produkte liefern will, warum die Kunden dann nicht von Anfang an in den Entwicklungsprozess mit einbeziehen. Ich denke eben auch, das wird immer mehr zum »Standardfall« werden.
Das was Ritter Sport und Elbkind da gemacht haben und immer noch zusammen machen ist der richtige Weg. Da ist der Erfolg auch neidlos anzuerkennen, auch wenn ich eigentlich nicht so auf “exotische” Schokolade stehe und normale Geschmacksrichtungen – wie Alpenmilch – bevorzuge;))
… Super Beitrag: Crowdsourcing, Consumer generated / User generated, oder ähnliche Umschreibungen, für »die vom Kunden geschaffenen, und durch den Kunden genutzten Produkte« Eine substituierbare Homogenität auf unserem Konsummarkt zeigt immer wieder wie kreativlos gewisse Marktbereiche arbeiten. Mich persönlich fastziniert, wieviele Indeen durch interaktive Kommunikation kreiiert werden können. Gerade habe ich einen sehr interessanten Artikel über Crowdstorming, in der lead digital Ausgabe vom 6. März 2013 gelesen, hier geht man noch einen Schritt weiter; es werden nicht nur innovative Ideen in der bereits bekannten Zielgruppe von einem Unternehmen, einer Marke oder eines Produktes, wie beim Crowdsourcing gesucht, sondern riesige Soziale-Plattformen werden bereitgestellt, welche für jeden Kreativ interessierten User, zugänlich sind und die von diversen Unternehmen und Agenturen in Zusammenarbeit hervorgebracht und genutzt werden. Komplexere und Produktübergreifende Innovationen werden generiert. z.B unter http://www.jovoto.com