Falscher Apostrophgebrauch hat sich in Deutschland ebenso nativ entwickelt wie das Sprachnöglertum. Für beides sind keine U.S.-Importe nötig.
Ja, ich gebe es zu: auch ich bin oft genervt vom epidemischen Apostroph-Mißbrauch, speziell in Tateinheit mit falscher Typo in Form eines alleinstehenden Akuts. Unter allen mir begegneten apostrophalen Delikten blieben mir vor allem die folgenden lebhaft in Erinnerung:
· Montag´s Video´s billiger
· Cassettendeck´s (ProMarkt)
· Sofa´s, 2 St., neuw. (Kleinanzeige)
· Bei’m Wolfgang (Kneipe)
Sowie dazu auf Mallorca aus den frühen 90ern ein schönes Beispiel, wie deutscher Sprach- und Schriftgebrauch im Ausland touristisch adaptiert wird: Die nach dem abendlichen Abbauen der Segelschule von uns oft frequentierte Freßmeile in Alcudia begrüßte uns stets mit einem prominent plazierten Sandwich-Menü-Triptychon, auf dem die aktuell erhältlichen Gummistullen jeweils in Spanisch, Englisch und Deutsch gelistet waren mit den Überschriften Sándwiches | Sandwiches | Sandwich´es. Wer würde sich da nicht gleich wie zu Hause fühlen.
Aber ungeachtet dieser gelegentlichen Facepalms bewegt sich für mich das populäre hämische Herumreiten, Sammeln und Exponieren auch des allerletzten deutschen »Deppenapostrophs« und »Deppenleerzeichens« aus dem Gemüseladen um die Ecke (Handschrift auf Karton, 60×87 cm, unsigniert), in der Nachbarschaft der Zwangsstörung. Auch hier zumeist »in Tateinheit«, nämlich mit Paranoia: Das begründungskomfortable Mantra, der fehlerhafte Apostrophgebrauch sei — mit vielem anderen sprachlich Bösen und Zersetzenden — aus dem Englischen fehladaptiert, ist, wie nahezu jede sprachverfallstheoretische Behauptung der Sprachpfleger-, Sprachnörgler- und Sprachräte-Fraktionen, Unsinn. [Hier war ursprünglich ein Link zu einer ausführlichen Erklärung auf dem Bremer Sprachblog, das leider nicht mehr ohline ist.]
Kein Wunder. Nicht das Recherchieren in sprachhistorischen und etymologischen Quellen und in Datensammlungen ist die bevorzugte sprachverfallstheoretische Methode, sondern “making stuff up”. Und, oha, das ist im Englischen ja ganz genau so! Die gleichen Sprachpfleger, Sprachnörgler und Sprachberufenen! Die gleichen Sprachverfallstheoretiker! Die auch genauso viel Ahnung haben! Wie ihre deutschen Kolleginnen und Kollegen!
Zur Illustration zwei Zitate aus Language Log-Einträgen:
But wait: why me? Why am I doing the work for her? What am I, an unpaid assistant curate of St. Bene’t’s? Did the Rev. Tilby do even as much elementary checking as I have done so far — glancing at a couple of hundred words in a random paper — before spouting her ridiculous remark? Of course not. Her method is a time-honored one in amateur writing on language: she just makes stuff up.
In general, David Owen writes beautifully and intelligently about golf and history and geology and crofting, yet on a simple point of phonetics he is content (it seems) to sound like a moron. Everybody treats language this way: they feel they don’t need to know what anything is called; they just make stuff up. I say this indicates there is something wrong with our educational culture. Language is being treated as the subject nobody needs to actually know anything about.
Und in der Apostrophilologie stehen die englischsprachigen den deutschsprachigen Mutter- und Vatersprachlern nur wenig nach, sowohl hinsichtlich der Fehler wie auch der Nörgelei. Aber zwischen all dem pseudolinguistischen Flohmarktramsch findet sich ja dann doch ab und zu mal so ein ebenso praktisches wie witziges Juwel wie dieses: How to Use an Apostrophe von The Oatmeal, das auch käuflich erworben werden kann als Poster.
Deutsche Sprachnörgler: Könnt ihr so etwas auch? Oder seid ihr zeitlich und intellektuell ausgelastet mit Fingerdraufzeigen, Auslachen und Andenprangerstellen?
Das würde mich interessieren.
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